Interview in WZ und FNP am 18. Mai 2020

18.05.2020

>> >> Herr Hahn, wie kommt es dazu, dass Sie die Nachfolge ihrer verstorbenen Frau antreten? >> Zu Beginn einer Legislaturperiode baut man eine Magistratsliste. Dort ist auch geklärt, wer als Nachrücker in Frage kommt. Auf dieser gemeinsamen Liste von CDU und FDP standen drei FDP Repräsentanten, Frei Messow, Erich Schlessmann und ich. Frei wohnt mittlerweile in Karben und ist deshalb raus. Im Gespräch mit Erich war schnell klar, dass es auf mich hinausläuft. Behördenabläufe sind mir durch meine jahrelange politische Erfahrung nicht fremd. Ich war fünf Jahre Minister, übrigens der erste hessische Integrationsmimister! Außerdem hat meine Frau unheimlich viel mit mir über die Themen des Sozialamtes gesprochen. Das ist von Vorteil. >> >> Nach der Bekanntgabe, dass sie das Amt übernehmen werden, gab es auch deutliche Kritik. Sie sind nicht nur Rechtsanwalt und Landtagsabgeordneter, sondern auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der ALEA AG, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der WV Energie AG und Vorsitzender des Hochschulrates der EBS Universität für Wirtschaft und Recht. Muten Sie sich zu viel zu? >> Das ist alles relativ zu sehen. Am meisten Zeit nimmt hiervon die WV Energie AG mit Hauptsitz im Rathaus in Bad Vilbel in Anspruch. Dort ist mein Job, das, was ich am besten kann: Netzwerken. Das kostet Zeit. Die Rechtsanwalttätigkeit ruht fast komplett. Jeder arbeitet und strukturiert sich anders. Jeder hat eine andere Art, Mitarbeiter einzubauen und zu delegieren. Da sehe ich kein Problem. >> >> Wo sehen Sie denn eines? >> Ich stelle fest, dass jetzt schon Termine koordiniert werden, obwohl ich noch nicht im Amt bin. Der Bürgermeister und ich haben beide eine Reihe von Fixterminen. Diese müssen unter einen Hut gebracht werden. Aber da bin ich optimistisch. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. >> >> Also ist die Kritik der Grünen unangebracht? >> Seitdem meine Frau dieses Amt ehrenamtlich ausführt, gibt es Kritik nach dem Motto: Das wird der Wertigkeit des Amtes nicht gerecht. Das müsse jemand hauptamtlich machen. Ich mache das in keinem Fall nebenbei. Es wird einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Ich habe die Kollegen im Landtag und im Kreistag informiert, dort kürzer zu treten. Auch mit dem Geschäftsführer der WV Energie AG habe ich darüber gesprochen. Er hat mir sogar ausdrücklich dazu geraten. >> >> Nicht jeder hätte das Amt seiner verstorbenen Frau übernommen. >> Das mag sein. Obwohl meine Frau sehr krank war, haben wir nie über ihre Nachfolge gesprochen. Es ging nur darum, ob sie verzichtet. Aber ich hätte es nicht gemacht, wenn ich nicht auf ein so tolles eingespieltes Team treffen würde. Die Mitarbeiter sind sehr eigenverantwortlich und wissen, was zu tun ist. Ich muss keine neuen Leitplanken erfinden. Auch wenn wir natürlich jetzt vor einer Sonderaufgabe stehen. >> >> Welche ist das? >> Die Frage lautet, wie wir die geschlossenen Kitas von der Notbetreuung in eine hygienisch ordentliche Nach-Corona-Zeit bringen. Deshalb ist es wichtig, dass es wieder einen Sozialdezernenten gibt. >> >> Wie geht es denn für die Kitas weiter? >> In einer internen Sitzung wurden den Kommunen erst Mitte letzter Woche die Konzepte vorgestellt. Man kann ein Kind nicht wie einen erwachsenen zwingen Mundschutz zu tragen. Das Land hat Vorgaben gemacht, an denen wird bereits gearbeitet. Aber zum Sozialamt gehören viele Beratungs- und Unterstützungsangebote wie die Jugend- und Seniorenberatung und nicht nur die Kitas. >> >> Was hat sich wegen der Corona-Pandemie in den anderen Bereichen geändert? >> Die Beratungsangebote sind derzeit virtuell. Das muss zurückgeführt werden. Ich denke, nichts wird so sein wie vor dem 13. März. Das ist eine spannende Zeit. Es wird kreative Lösungen geben. >> >> Haben Sie bestimmte Ansätze im Kopf? >> Ich habe mir immer geschworen: Über ein Amt redet man erst dann, wenn man die Urkunde in der Hand hat. >> >> Werden die virtuellen Angebote komplett eingestellt? >> Nein. Es geht darum ein System der bürgernahen Politik zu entwickeln, die mehr digital ist, als es bisher der Fall war. Ich bin mir sicher, dass auch viele ältere Menschen die Digitalisierung gut angenommen haben. >> >> Abgesehen von Corona gibt es auch viele andere Themen wie den Erziehermangel, die immer wieder präsent sind. >> Meine Devise ist: Das Sozialamt ist mit motivierten und qualifizierten Mitarbeitern richtig gut aufgestellt. Die Stadt Bad Vilbel wird beim Thema Flüchtlinge immer positiv genannt. Erst kürzlich ist mir das auf einer Sitzung wieder aufgefallen. Bei den Kitas haben wir ein gutes Standing. Ich vertraue den Fachleuten der einzelnen Bereiche. >> >> Wie sieht ihre Arbeit als Dezernent aus? >> Meine Frau war immer mittwochs vormittags vor Ort. Sonst hat sie viel von Zuhause aus erledigt. Ich will nicht häufiger persönlich dort sein. >> >> Und im Umgang mit dem zuständigen Fachbereich? >> Es gibt verschiedene Führungsstile. Ich muss den Leuten nicht vorschreiben, was sie machen. Da überfordert sich ein Chef. Er kann nicht das Detailwissen haben. Er muss die Rahmenbedingungen setzen und dafür kämpfen, das im Außenverhältnis die notwendigen Unterstützungen da sind. Das ist in meinen Augen das beste Führungssystem. Und wenn ich delegiere, dann stehe ich nach aussen immer hinter meinen Mitarbeitern! >> >> Wo liegt ihr Hauptaugenmerk? >> Mein Hauptfeld in den nächsten Monaten wird sein, zu verhindern, dass In Bad Vilbel Sozialleistungen erheblich eingeschränkt werden. >> >> Wie meinen Sie das? >> Wo spart man in Krisenzeiten? An Sozialem und Kultur. Aus tiefer Überzeugung glaube ich, dass das falsch ist. Es gibt sicherlich die ein oder andere Sache, die man effektiver gestalten kann. Ich will auch kein rotes Band um den Haushalt des Sozialamtes ziehen. Dennoch werde ich darum kämpfen. Da können sich alle Beteiligten sicher sein, auch wenn man das einem FDPler per se nicht unterstellen würde. Da sind wir in Vilbel anders aufgestellt. >> >> Was werden die ersten Schritte sein, wenn sie am Dienstag ernannt werden? >> Ein guter Freund von mir ist Erster Stadtrat in Rodgau und liberaler Sozialdezernent. Mit ihm habe ich bereits telefoniert und ihm gesagt, dass ich ihn besuchen werde. Er wird mir einen weiteren Crashkurs geben. Meine Frau hat das genauso gemacht vor neun Jahren. >> >> Gab es abseits der Kritik bereits Reaktionen? >> Ich habe ein positives Feedback bekommen. Die Reaktionen der Grünen war ja auch erwartbar. Meist ging es um den Aspekt haupt- oder ehrenamtlich. Es gab bisher wenig inhaltliche Attacken. >> Ich lade alle ein, mich zu begleiten. Wenn sie meinen, dass irgendwas besser oder anders gemacht werden kann – nur zu. Meine Telefonnummer und meine Mailadresse sind bekannt. >>